Der Ritus der Taufe

(2.Teil) 3) Im Anschluss an diese Befragung des Täuflings zu Beginn der Taufzeremonie haucht der Priester dessen Gesicht dreimal an und spricht einmal: “Weiche von ihm (ihr), du unreiner Geist, und gib Raum dem Heiligen Geist, dem Tröster”. Dies ist der erste Akt des Exorzismus, einer vom Priester in Befehlsform ergehenden Aufforderung an den Teufel, seinen Einfluss auf den zu taufenden Menschen aufzugeben, damit dieser in der Taufe im vollen Umfang zum Kind Gottes werden kann. So wird auch hier ausgesagt, dass durch das heilige Sakrament der Taufe niemand geringerer als der Heilige Geist in der Seele des Kindes einwohnen werde!
Eine solche Anhauchung praktizierte auch schon Jesus selbst, als Er nämlich am Auferstehungstag, dem Ostersonntag, den Aposteln die Vollmacht gegeben hat, Sünden zu vergeben (vgl. Joh 20,22f.) Somit hat die Kirche auch hier den betreffenden Inhalt des liturgischen Textes sehr treffend mit einer Hauchung in Verbindung gebracht.
4) Daraufhin macht der Priester mit seinem Daumen ein Zeichen des Kreuzes jeweils auf die Stirn und die Brust des Täuflings und spricht dabei die Formel: “Empfange das Zeichen des Kreuzes sowohl auf der Stirn ✠ als auch auf dem Herzen ✠, ergreife den Glauben an die himmlischen Gebote. Wandle so, dass du ein Tempel Gottes sein kannst.”
Der Glaube spricht sowohl den Verstand als auch den Willen des Menschen an. Mit seinem Intellekt kann und soll der Mensch zur Erkenntnis Gottes und Seiner wesentlichen Eigenschaften gelangen - der Glaube ist sehr wohl rational! Da aber der Glaube nicht theoretisch bleiben darf, muss zur betreffenden Verstandeserkenntnis auch noch die ganzheitliche Bejahung seitens des freien menschlichen Willens hinzukommen. Denn nur so kann die Glaubenshaltung eine lebendige sein und sich fruchtbringend im Hinblick auf Zeit und Ewigkeit auswirken. Bemüht sich aber der Mensch nicht, seinen Glauben praktisch im Leben anzuwenden und ihn somit als einen tätigen zu gestalten, bleibt dieser “Glaube” rein theoretisch und unfruchtbar und stirbt bald ganz ab.
Das Kreuz ist ja das Hauptsymbol des Christentums - in diesem Zeichen sind wir durch die sich hingebende Liebe Jesu erlöst worden! Indem wir als Getaufte voll Freude und gesunden Stolzes dieses Zeichen des lebenspendenden Kreuzes Jesu Christi bildlich gesprochen auf unserer Stirn tragen, soll es nicht nur uns ständig an diese unerschöpfliche Quelle des Heiles und der göttlichen Barmherzigkeit erinnern, sondern durch unser entsprechendes positives Glaubenszeugnis möglichst auch die Menschen um uns herum zu Ihm, der uns am Kreuz erlöst hat, führen!
5) Dann folgt ein Gebet, welches der Priester unter Erwähnung des (Tauf)Namens des jeweiligen Katechumenen verrichtet: “Wir bitten Dich, o Herr, höre gnädig unsere Gebete an: behüte diesen Deinen Erwählten (diese Deine Erwählte) N., dem (der) das Kreuz des Herrn aufgetragen worden ist, ständig in der Gnade. Lass ihn (sie) den ersten Anteil an Deiner Herrlichkeit bewahren und dadurch auf dem Weg Deiner Gebote zur Glorie der Wiedergeburt gelangen. Durch Christus, unseren Herrn.” Antwort: “Amen.”
Welch ein herrlicher Gedanke! Zunächst schützt und behütet uns das Zeichen des heilbringenden Kreuzes ständig “in der Gnade” Gottes. Also entwickelt diese Wirkung dann wohl auch unsere täglich mehrfach praktizierte Selbstbekreuzigung, wobei es da in erster Linie natürlich nicht um die Häufigkeit dieser Kreuzzeichen geht, sondern um unseren Glauben in und das Vertrauen auf Gottes “Gnade” und Führung.
Ebenso stellt nach der Aussage dieses Textes auch schon der sich auf die Gebote Gottes stützende tätige Glaube des Katechumenen einen Akt der Verherrlichung Gottes dar, wenn auch nur “anfänglich”. Um wie viel mehr kann ein bereits getaufter katholischer Christ durch sein aufrichtiges ganzheitliches und lebensmäßiges Bekenntnis des wahren Glaubens Gottes Liebe und Barmherzigkeit verherrlichen!
Ferner befähigt der Lobpreis Gottes den Menschen aber auch zu geistigem Fortschritt und weiteren Akten der Gottes- und Nächstenliebe! Der Katechumene soll also bereits jetzt, im Laufe seines Prozesses der Vorbereitung auf die Taufe nämlich, in der Erkenntnis und Anbetung Gottes wachsen, um dann auch durch seine Treue in der Erfüllung Seiner Gebote am Ende dieses Weges zum Taufsakrament zugelassen und somit auch tatsächlich der “Glorie der Wiedergeburt” “gewürdigt werden”. Um wie viel mehr sollte sich aber ein bereits getaufter Christ bemühen, an Erkenntnis, Liebe und Treue zu den Geboten Gottes zu wachsen, um dann auch und vor allem auf diese Weise die Herrlichkeit Gottes in dieser Welt zu mehren! Das kann übrigens auch ein wirksamer Akt der Sühne für die von der Menschheit begangenen Sünden sein.
Der betreffende Inhalt dieses Gebetes bestätigt die bereits gewonnene Erkenntnis, dass die Vorbereitung auf die Taufe in den ersten christlichen Jahrhunderten oft ein länger dauernder Prozess war und seitens der Katechumenen mit viel Geduld und Hingabe begleitet werden musste. Diese Feststellung möge auch uns heute dazu anleiten, die für uns aus unserer Taufe erwachsenden Verpflichtungen Jesus Christus gegenüber ebenfalls äußerst ernst zu nehmen und in jedem Fall gewissenhaft zu erfüllen!
6) Im folgenden legt der Priester das erste Mal seine rechte Hand kurz auf das Haupt des Täuflings, hält sie dann über ihn ausgebreitet und spricht dabei das Gebet: “Allmächtiger, ewiger Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, schaue gnädig auf diesen Deinen Diener N. (diese Deine Dienerin N.), den (die) Du gewürdigt hast, zu den Anfängen des Glaubens zu berufen. Nimm von ihm (ihr) alle Blindheit des Herzens; zerreiße alle Fesseln des Satans, mit denen er (sie) gebunden war; öffne ihm (ihr), o Herr, die Tür zu Deiner Güte. Möge das Zeichen Deiner Weisheit ihn (sie) durchdringen, auf dass er (sie), frei von allem Pesthauch böser Begierde Dir in Deiner Kirche freudig diene, vom Duft Deiner Lehren angezogen, und lass ihn (sie) vorwärtsschreiten von Tag zu Tag. Durch denselben Christus, unseren Herrn. - Amen.”
Die Handauflegung findet im Alten Testament eine verschiedenartige Anwendung. So entspricht es zunächst einem uralten Brauch, sie mit der Erteilung eines Segens in Verbindung zu bringen. Ferner übertrug man mit der Auflegung der Hände auf den Kopf des Opfertieres symbolisch die Sünden des Opfernden auf dieses Tier, bevor es eben geopfert wurde und somit mit seiner Tötung die Sünden des Volkes von diesem wegnahm. Auch als so genannter Initiationsritus hatte die Handauflegung Bedeutung, indem nämlich damit eine Geistesmitteilung dargestellt wurde, was dann im Neuen Testament vor allem im Zusammenhang mit der Erteilung der hl. Weihen großen Sinn erhalten hat.
Im Neuen Testament gibt es ebenfalls Stellen, wo die Handauflegung im Zusammenhang mit Krankenheilungen eine Rolle spielt. Ebenso ist die Handauflegung bzw. -ausstreckung über den reuigen Sünder bekannt, um ihm eben die Sünden zu vergeben. So hält jeder katholische Priester bei der Beichte seine rechte Hand über den Pönitenten aus und erteilt die Absolution.
Für den Römischen Taufritus sind vor allem die folgenden zwei Wirkungen der Handauflegung bedeutsam, die die Tradition des Alten und Neuen Bundes kennt: Besitzergreifung des Täuflings durch Gott und Exorzismus! Indem dem Täufling die rechte Hand des Priesters aufgelegt und dann über ihn ausgebreitet gehalten wird, wird zum Ausdruck gebracht, dass ein Christ nicht nur sich selbst, sondern mit der Taufe in gewisser Weise vor allem Gott gehört und somit Ihm auch immer Rede und Antwort stehen muss. Er reinigt uns bei der Taufe von der Erbschuld Adams und Evas und (bei der Erwachsenentaufe) von allen persönlichen Sünden und erfüllt uns mit der heiligmachenden Gnade der Rechtfertigung und des neuen Lebens in Christus. Auch aus diesem Grund sind wir Ihm dann auch Rechenschaft über unsere Gedanken, Worte und Werke schuldig, wie wir nämlich mit Seinen biblisch-sprichwörtlichen Talenten gehaushaltet haben!
Und gerade die Worte des betreffenden Gebetes zeigen deutlich die Teufel austreibende Symbolik der Handauflegung an. Dem Katechumenen sollen ja ausdrücklich “alle Blindheit des Herzens” weggenommen und “alle Fesseln des Satans” zerrissen werden. Ebenso soll er “frei von jedem Pesthauch böser Begierde” werden, damit ihm dann sowohl “die Tür zu Deiner Güte” geöffnet werde als auch er “Dir in Deiner Kirche freudig diene” und geistigen Fortschritt erziele.
Welcher tiefer Trost ist es außerdem für uns zu wissen, dass wir in geistiger Hinsicht nicht mehr ganz allein sind, auch wenn sich alle Menschen von uns abwenden sollten, auch die, die uns sonst am allernächsten stehen. Denn wir sind ja mit dem Empfang der hl. Taufe gewissermaßen in das Eigentum Gottes übergegangen, der uns somit auch immer und auf allen unseren Lebenswegen führt, lenkt, schützt, geistig ernährt und tröstet! “Verstießen mich Vater und Mutter, so nähme der Herr doch meiner sich an” (Ps 26,10); “Vergisst wohl ein Weib ihres Kindleins? Erbarmt sie sich nicht der Frucht ihres Leibes? Und vergäße sie’s auch: Ich vergesse dich nicht! - Siehe, auf Meine Hände habe Ich dich aufgezeichnet.” (Is 49,14f.); “Seht, Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt” (Mt 28,20)!

P. Eugen Rissling

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